Ein Logistik- und Versandunternehmen hat anhand von Bildaufnahmen kontrolliert, ob die Arbeitnehmer den Corona-Sicherheitsabstand von mindestens 2 Metern im Betrieb einhalten.
Das Arbeitsgericht Wesel hat (Az.: 2 BVGa 4/20) dem Unterlassungsanspruch des Betriebsrats insofern stattgegeben, als das Unternehmen es zu unterlassen hat, die Aufnahmen zum Zwecke der Abstandsmessung/-überwachung zu verarbeiten oder an Dritte zu übermitteln ohne zuvor eine entsprechende Einigung mit dem Betriebsrat herbeizuführen.
Der Entscheidung lag folgende Situation zugrunde: Die Videokameras waren aufgrund einer Betriebsvereinbarung rechtmäßig installiert. Das Unternehmen anonymisierte die Videodaten mittels einer Software auf Datenservern in Dublin, auf denen die Aufnahmen für sieben Tage gespeichert und danach automatisch gelöscht wurden.
Der Betriebsrat hatte in diesem Fall ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG (Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen) und nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG (Regelungen über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften).
Das Arbeitsgericht Wesel weist in seinem Beschluss ferner darauf hin, dass der Arbeitgeber auch in Eilfällen verpflichtet ist, den Betriebsrat zu beteiligen und dessen Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG zu wahren. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Corona-Pandemie. Lediglich in sog. Notfällen, in denen sofort gehandelt werden müsse, um von dem Betrieb oder den Arbeitnehmern Schaden abzuwenden und in denen entweder der Betriebsrat nicht erreichbar sei oder keinen ordnungsgemäßen Beschluss fassen könne, könne man über ein Recht des Arbeitgebers für einseitige Anordnungen diskutieren. Ein solcher Notfall und eine solche akute Gefahr, die es abzuwenden gilt, sei in diesem Fall jedoch nicht gegeben.
Aufgrund der Betriebsvereinbarung dürfen zwar Aufnahmen von Arbeitnehmern gemacht und gespeichert werden. Die Aufnahmen dürfen jedoch nicht zu anderen als den vereinbarten Zwecken verarbeitet und weitergegeben werden. Der Zweck der Corona-Abstandsmessung wurde bei Abschluss der Betriebsvereinbarung nicht geregelt, sodass datenschutzrechtlich bereits ein Verstoß gegen den Zweckbindungsgrundsatz des Art. 5 Abs. 1 lit. b DSGVO vorliegt.
Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats und der Datenschutz sind daher auch in diesen Fällen zwingend zu beachten.
Julia Eisenacher
Juristin (Univ.)
Consultant für Datenschutz
Die gesamte Arbeitswelt – und damit auch die Betriebsräte – werden durch das Coronavirus und dessen Auswirkungen vor enorme Herausforderungen gestellt. Die Betriebsratsarbeit muss aber trotzdem weiter gehen, da die gesetzlichen Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte auch weiterhin gelten.
Betriebsratssitzungen
Aufgrund der Maßnahmen zur Beschränkung sozialer Kontakte, die die weitere Ausbreitung des Coronavirus verhindern sollen, kommt vermehrt die Frage auf, ob Betriebsratssitzungen in dieser Zeit als Telefon- oder Videokonferenzen abgehalten werden dürfen. Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) enthält dazu keine explizite Regelung. Es schreibt aber vor, dass die Sitzungen nicht öffentlich sein müssen und Beschlüsse mit der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder gefasst werden müssen. Außerdem sind die Betriebsratssitzungen vertraulich. All dies spricht gegen die Durchführbarkeit einer virtuellen Betriebsratssitzung.
Der Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil hat am 23.03.2020 zwar eine Erklärung abgegeben, in der er virtuelle Betriebsratssitzungen befürwortet, damit die Arbeitsfähigkeit des Betriebsrats erhalten bleibt und erklärt, dass er diese in einer solchen Ausnahmesituation für zulässig halte. Dies ist jedoch keine gesetzliche Grundlage, um Betriebsratssitzungen per Telefon- oder Videokonferenz durchzuführen. Deshalb ist auch fragwürdig, ob die Gerichte dieser Auslegung folgen würden.
Wenn Sie das Risiko dennoch eingehen und Betriebsratssitzungen per Telefon- oder Videokonferenz durchführen wollen, sollten Sie folgendes beachten:
- Die für die Betriebsratssitzungen geltenden Formalien (z.B. Ladung aller Mitglieder, Übersendung der Tagesordnung, Registrierung der Anwesenheit) müssen auch hier beachtet werden. Anstatt der handschriftlich unterzeichneten Anwesenheitsliste, sollte dem Betriebsratsvorsitzenden in dem Fall die Teilnahme an der Betriebsratssitzung in Textform bestätigt werden (z.B. per E-Mail).
- Alle Betriebsratsmitglieder müssen auf elektronischem Weg teilnehmen können.
In der nächsten regulären Betriebsratssitzung sollten Sie die Abstimmungen aus formalen Gründen wiederholen, um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein.
Beschlüsse des Betriebsrats
Auch während der Corona-Krise müssen weiterhin Beschlüsse des Betriebsrats getroffen werden, z.B. zu Home-Office, Kurzarbeit, Überstunden, Schichtarbeit oder zum Schutz der Mitarbeiter.
Damit ein Beschluss des Betriebsrats wirksam ist, müssen die folgenden Voraussetzungen gegeben sein:
- Ordnungsgemäße Ladung des Betriebsrats mit Tagesordnung
- Beschlussfähigkeit des Betriebsrats: Bei Krankheit oder Quarantäne von Betriebsratsmitgliedern, werden Ersatzmitglieder geladen. Sollte es zu so vielen Ausfällen kommen, dass die gesetzlich festgelegte Anzahl von Betriebsratsmitgliedern nicht mehr erreicht wird, ist der Betriebsrat noch beschlussfähig, solange mindestens die Hälfte der Betriebsratsmitglieder an der Beschlussfassung teilnimmt, § 33 Abs. 2 BetrVG.
- Der Beschluss muss in einer Betriebsratssitzung gefasst werden. Das BetrVG sieht nicht die Möglichkeit eines schriftlichen Beschlussverfahrens vor.
- Der Beschluss muss durch nicht öffentliche Abstimmung getroffen werden.
Dies gilt auch weiterhin während der Corona-Krise, d.h. auch bei Erkrankung der Betriebsratsmitglieder, Ausgangssperre, Quarantäne und Home-Office.
Betriebsversammlungen
Gemäß § 43 Abs. 1 S. 1 BetrVG hat der Betriebsrat vierteljährlich eine Betriebsversammlung einzuberufen. Sollte bald eine solche Betriebsversammlung anstehen, eine Durchführung aber aufgrund der Corona-Krise nicht möglich sein, liegt kein Pflichtverstoß des Betriebsrats vor. Der Betriebsrat sollte die Mitarbeiter dann aber auf anderem Weg über Aktuelles informieren.
Julia Eisenacher
Juristin (Univ.)
Consultant für Datenschutz